Apostel Jakobus
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Grußwort Frau Landtagsvizepräsidentin Vossschulte

bei der Eröffnung des Jakobsweges zwischen Rotenburg ob der Tauber und Speyer am 12. September 2009 in Mühlhausen

Heute ist ein froher Tag! Nicht nur für Mühlhausen! Nicht nur für fast 70 Städte, Gemeinden, Ortschaften zwischen Rotenburg ob der Tauber und Speyer! Heute ist ein froher Tag auch für Baden-Württemberg als Kernland dieses Jakobsweges! Und ich freue mich sehr, dass ich dieses Glücksgefühl in ein Grußwort gießen darf.

Für mich sind die wiederbelebten Jakobswege konkrete Spuren des Heiligen in unserer säkularisierten Welt. Sie laden ein, sich den Verheißungen unseres christlichen Glaubens zu öffnen.

Die "neuen alten" Jakobswege tun damit das Gleiche wie die kirchlichen Feiertage: Sie stellen in unserer ach so aufgeklärten Zeit die Original-Gretchenfrage: "Nun sag, wie hast Du's mit der Religion?"

Das bedeutet aber: Genauso wenig wie es genügt, dass kirchliche Feiertage gesetzliche Bestandteile des Jahreslaufs sind und in unseren Kalendern auftauchen, genauso wenig reicht es, dass die Jakobswege in der Landschaft ausgeschildert und von den Landesvermessungsämtern in den amtlichen Karten verzeichnet werden.

Nein, die Jakobswege müssen wie die kirchlichen Feiertage in ihrer ursprünglichen Funktion aufgrund freien Entschlusses gewollt sein. Und zwar - auch und zuerst - kollektiv gewollt sein. Also gewollt sein von den maßgeblichen Kräften in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Deshalb möchte ich beides würdigen: die Tatsache, dass es den Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber zum Kaiserdom in Speyer wieder gibt; und die Art, wie die Revitalisierung bewerkstelligt worden ist, nämlich durch ein breites Joint Venture unterschiedlicher Partner und Unterstützer! Ein weltlich-geistliches Joint Venture und zugleich ein ökumenisches Joint Venture - gottgefälliger kann es auf Erden fast nicht zugehen!

Kurzum: Mein Dank und mein Respekt gelten allen, die mitgewirkt haben am Konzipieren und Planen, am Realisieren und Präsentieren - und am Bezahlen. Auch das Land Baden-Württemberg hat sich als Förderer gerne engagiert.

Praktisch jedes Gemeinschaftsprojekt braucht einen Spiritus Rector - einen, der seinen Geist anderen einhaucht, der andere buchstäblich begeistert, sie zunächst als Mitstreiter rekrutiert und dann bei Bedarf immer wieder motiviert. Ein herzliches - und wörtlich gemeintes - "Vergelt's Gott" gebührt deshalb der Jakobusinitiative Mühlhausen.

Vor allem die Jakobusinitiative Mühlhausen möge keine Anmaßung darin sehen, dass ich einfach von "unserem Jakobsweg" spreche und mir die exakte, aber technokratisch-langatmige Bezeichnung "Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber zum Kaiserdom in Speyer" erspare.

Lassen Sie uns zusammen stolz sein auf "unseren Jakobsweg". Denn er zeigt dreierlei mustergültig.

Erstens: Was die katholische Soziallehre und die evangelische Sozialethik unter dem sperrigen Namen "Subsidiaritätsprinzip" als Blaupause für ein gelingendes Gemeinschaftsleben empfehlen, ist allen Formen zentraler Steuerung überlegen. Zum Entstehen "unseres Jakobweges" hat das Land beigetragen; es hat aber nichts an sich gerissen. So konnten sich höchst segensreiche Kräfte entfalten: Ortskenntnis, Heimatliebe, Identifikation mit der spezifischen Aufgabe und der positive Ehrgeiz, mit etwas Individuellem im Erdkreis präsent zu sein.

Zweitens: "Unser Jakobsweg" ist ein Solitär und doch ein Teil einer transeuropäischen Magistrale. Die Pilgerwege des Mittelalters gehörten zu den pulsierenden Arterien unseres Kontinents. Europäer sein hieß: Christ sein. Ich behaupte: Die Probleme Europas resultieren auch aus einer unbegreiflichen Geschichtsvergessenheit. Europa braucht eine Erinnerungskultur. Die Jakobswege spiegeln wider, dass die oft zitierte Seele Europas tatsächlich existiert. Und es handelt sich um eine christliche Seele - obwohl das viele leider nicht wahrhaben wollen.

Und drittens beweist "unser Jakobsweg": Die Trennung von Kirchen und Staat ist zwar eine richtige staatsrechtliche Maxime; sie ist jedoch im Alltag eine Aufforderung zur Partnerschaft. Eine "verständige Kooperation" zwischen Kirchen und Staat - wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert - schafft Dinge, die auf besondere Weise werthaltig sind, weil sie als "Extra" eine vertikale Perspektive besitzen. Und diese "Sonderausstattung" verleiht Stabilität und Übersicht in einer Welt, die immer unruhiger und komplexer wird.

Die Trennung von Kirchen und Staat und die weltanschauliche Neutralität des Staates fordern nicht, die religiösen Wurzeln und Traditionen des Gemeinwesens politisch zu verleugnen. Im Gegenteil: Eine gute Zukunft braucht diese Herkunft!

Entscheidend ist jedoch, dass sich der Einzelnen dieser Herkunft aus freien Stücken zuwendet. Und jetzt komme ich zurück auf meinen Vergleich der Jakobswege mit den kirchlichen Feiertagen. An Ostern, Pfingsten oder Himmelfahrt können wir den Menschen nicht vorschreiben, wie Sie den Tag nutzen. Und wir besitzen keinen Einfluss, mit welchem Impetus sie "unseren Jakobsweg" beschreiten: als sportliche Herausforderung; oder um anspruchsvoller als andere Natur und Kultur zu genießen; oder weil es gerade "in" ist, mal zwei Stunden auf einem Jakobsweg zu laufen; oder eben kontemplativ, um bewusst eine religiöse Erfahrung zu machen.

Apostel Paulus schrieb an die Galater: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit." Wir scheinbar modernen Menschen hingegen haben uns vom christlichen Glauben losgesagt. Und wir haben diese Emanzipation als Fortschritt gerühmt.

Das Ergebnis sind jedoch neue Zivilisationskrankheiten wie Orientierungslosigkeit, Sinnleere, Egoismus, Gleichgültigkeit oder Verrohung. Und wo die althergebrachten religiös fundierten Moralvorstellungen erodieren, braucht man mehr Gesetze, mehr Bürokratie, mehr Sozialarbeiter und mehr öffentliche Leistungen, und das heißt, wir alle werden unfreier!

Damit nicht genug: Die globale Entwicklung hat uns in den letzten zwölf Monaten erbarmungslos gelehrt, dass eine Zeit, die sich ihrer Gottlosigkeit rühmt, wie zur Strafe obendrein ihre materiellen Werte verliert.

So gesehen, ist jeder wiederbelebte Jakobsweg ein Ausweg aus dem Irrgarten der maßlosen Säkularisierung unseres Daseins.

Achten wir also darauf, dass wir "unseren Jakobsweg" nicht zu sehr trivialisieren.

Natürlich ist es schön, dass das Wandern - und namentlich das Fernwandern - derzeit regelrecht boomen. Und natürlich dürfen sich an "unseren Jakobsweg" profane Erwartungen knüpfen - Erwartungen der Gastronomen und der Tourismusmanager.

Aber: "Unser Jakobsweg" ist keine Museumseisenbahn ohne Dampfloks und ohne Schienen; er ist nicht irgendeine Fernwanderroute. "Unser Jakobsweg" zählt zu unserem geistig-kulturellen Erbe. Das heißt, dass wir mit ihm ehrfürchtig und nachhaltig umgehen müssen. Er sollte etwas Außergewöhnliches bleiben: ein rund 184 Kilometer langes Kirchenschiff mit freiem Blick zum Himmel!

Papst Benedikt XVI. hat gleich zu Begin seines Pontifikats - wie schon zuvor Papst Johannes Paul II. - deutlich gemacht, dass Glaube und Vernunft nicht im Widerstreit stehen. Sie brauchen sich wechselseitig. Sie sind die beiden Flügel der menschlichen Seele.

Speziell in diesem Sinn wünsche ich allen Wanderern auf "unserem Jakobsweg" unvergessliche Aussichten, prägende Ansichten und tiefe Einsichten.


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