Einweihung des Jakobsweg
"Ein Weg des Glaubens, Suchens und Findens"
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat den Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer eingeweihtMühlhausen/Rettigheim - rka - In allen Religionen und Kulturen gibt es das Phänomen des Pilgerns, beinahe alle Religionen kennen Pilgerwege. Schon der Kirchenvater Augustinus schrieb im 4. Jahrhundert: "Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft. Im Menschen lebt eine Sehnsucht". Gerade in unseren Tagen wird das Pilgern wieder "modern", erlebt einen ungeahnten Auftrieb. In vielen Teilen Europas sind alte Pilgerwege zu neuem Leben erweckt worden. Einer der letzten Lückenschlüsse in Baden-Württemberg ist der neue Jakobsweg von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer. Er ist Teilstück einer Hauptroute von Prag über Rothenburg, Speyer nach Santiago de Compostela. Auf wie viel Interesse dieser neue Weg stößt, bewies die zahlenmäßig starke Pilgerfamilie, die zur Einweihung der neuen Strecke durch den Bischof von Speyer, Dr. Karl-Heinz Wiesemann und den Rothenburger Pilgerpfarrer Dr. Oliver Gußmann nach Mühlhausen und Rettigheim gekommen war.


In seiner Predigt bezeichnete Bischof Wiesemann den neuen Jakobsweg als "Weg des Glaubens, Weg des Suchens und Findens". Mit großer Freude nehme er zur Kenntnis, dass sich immer mehr Menschen in die große Bewegung des Pilgerns einbinden lassen. Ein Rückblick in die Vergangenheit zeige, dass schon im Mittelalter die Jakobswege wie riesige Arme, wie ein Spinnenetz Europa von Nord nach Süd, von Ost nach West verbunden hätten. Für die Menschen der damaligen Zeit seien sie "Sehnsuchtswege, Wege einer großen Gottessehnsucht" gewesen, Wege, um sich selbst zu suchen, um Fragen zu klären, um Schuld abzulösen oder einfach, um die Unruhe des eigenen Herzens zu stillen. Mit Recht stelle sich heute wieder die Frage: Bricht eine neue Gottessehnsucht aus? "Es lässt sich nicht leugnen, Pilgern ist wieder in aller Munde und erlebt eine gewaltige Renaissance", betonte der Bischof.
Die Gründe dafür seien vielschichtig: Klärung tieferer Entscheidungen, Neuausrichtung des Lebens, religiöse Gründe, Begegnung mit Menschen, Erleben der Natur. Er selbst sehe darin ein "Suchen nach dem Horizont, nach dem Licht, das immer leuchtet, nach einem Fundament, das trägt, damit der Mensch nicht in die Bodenlosigkeit stürzt". Der Bischof rief seine Zuhörer dazu auf, sich nicht vom Zeitgeist "einlullen" zu lassen, sondern mit einer "großen Sehnsucht im Herzen den Weg der Lebendigkeit und die Gottesbegegnung zu suchen." Der Bischof beendete seine Ansprache mit den Worten: "Selig die Region, die Pilgerwege als Markenzeichen besitzt". Anschließend segnete er die neue Statue des heiligen Jakobus und das Teilstück des Jakobswegs von Rothenburg ob der Tauber nach Speyer.

Bürgermeister Karl Klein, MdL, sprach in seinem Grußwort von einem "einmaligen Ereignis für die Gemeinde. Er freue sich, dass so viele Menschen an dieser Einweihung teilnehmen, so viele von dieser Initiative inspirieren lassen. Dieses Teilstück des Jakobswegs, das die letzte Lücke in Baden-Württemberg schließt, sei in seiner landschaftlichen Schönheit, seinen einzigartigen Sakralbauten, seinen Kunstschätzen und seinen liebenswerten Menschen kaum zu überbieten. Dieser Weg sei Zeichen zur Offenheit und zum sozialen Miteinander, er gebe Raum zur Stille, Zurückgezogenheit, persönlichen Erbauung und geistigen Orientierung. Es stimme ihn als Landtagsabgeordneten und Bürgermeister froh und zuversichtlich, dass man hier einen Pilgerweg vervollständige, während man andernorts zum großen Bedauern Kreuze aus öffentlichen Räumen entferne.
"Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise bringt eine Zeit tiefgreifenden Wandels mit sich", so die Prognose von Karl Klein. Er sei sich sicher, dass nach einer Zeit, die den zunehmenden Verlust des sozialen Eingebundenseins gebracht hat, die Gesellschaft verstärkt zu ihren Wurzeln zurückfinde. "Ohne fest Verwurzelung sind wir dem Wind jeder Tagesparole ausgeliefert", so der Bürgermeister. Deshalb sei es wichtig, die "christliche Prägung als einigendes Band und als tragendes Wertesystem der Gesellschaft" wieder zu entdecken. "Wir brauchen eine ethische Grundlage für unser Handeln, die uns verpflichtet, mit Mensch und Schöpfung auf unserem Planeten verantwortungsvoll umzugehen", so die Forderung von Karl Klein.

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